Stasi-Untersuchungshaft – Forschung und Gedenken

Stasi-Untersuchungshaft – Forschung und Gedenken

Organisatoren
Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF); Universität Potsdam
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Vom - Bis
27.10.2010 - 28.10.2010
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Von
Jan Philipp Wölbern, Abteilung I: "Kommunismus und Gesellschaft", ZZF Potsdam

Bei der Aufarbeitung der SED-Diktatur und ihrer Folgen kommt den Gedenkstätten mit Stasi-Bezug und hier insbesondere den Gedenkstätten, die in den ehemaligen Stasi-Untersuchungshaftanstalten deren Geschichte dokumentieren, eine besondere Rolle zu. An diesen authentischen Orten der Täter und Opfer des Staatssicherheitsdienstes nicht nur in Berlin, sondern vor allem auch in den Regionen, gewinnt die Vermittlung der politischen Überwachung, Unterdrückung und Verfolgung vermeintlicher und tatsächlicher politischer Gegner, die wesentliche Charakteristika des SED-Staates waren, besondere Eindringlichkeit und Tiefe.

An einem Workshop, den das Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) und die Universität Potsdam am 27./28. Oktober 2010 in der Potsdamer Gedenkstätte „Lindenstraße 54/55“ durchführten, nahmen über 50 Leiter und Vertreter von Gedenkstätten, Trägervereinen, Archiven und anderen Einrichtungen teil, die sich mit dem Thema Stasi-Untersuchungshaft auseinandersetzen. Neben der Vernetzung der Einrichtungen verfolgte die Veranstaltung zwei Ziele: erstens Forschungslücken und neue Forschungsfelder im Zusammenhang mit Stasi-Untersuchungshaft zu erkunden sowie zweitens einen Erfahrungs- und Informationsaustausch der Konferenzteilnehmer zu ermöglichen. Dies bezog sich zum einen auf das Thema Rehabilitierung und Beratung von Diktaturopfern durch offizielle Stellen und private Initiativen, zum anderen auf Probleme und mögliche Problemlösungen bei der Ausstellungs- und Zeitzeugenarbeit der Gedenkstätten.

I. Forschung

Nach der Begrüßung durch HANNES WITTENBERG (Potsdam-Museum) und HANS-HERMANN HERTLE (ZZF) eröffnete JOHANNES BELEITES (Evangelische Akademie Thüringen) die Konferenz mit einem Referat über „Stasi-Untersuchungshaftanstalten in der DDR – Erkenntnisse und offene Forschungsfragen“.

Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unterhielt 17 Untersuchungshaftanstalten, die als die „Hochsicherheitsgefängnisse der DDR“ bezeichnet werden könnten. Die „authentischste U-Haftanstalt“ des MfS sei in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) zu besichtigen: Weil das MfS 1987 in einen Neubau in Neubrandenburg umzog, blieb der Komplex in der Innenstadt von Neustrelitz weitgehend im Originalzustand erhalten. Die Untersuchungshaft der Staatssicherheit war Teil des Strafverfahrens, der Verhaftung ging ein regelmäßiger Austausch zwischen den operativen Einheiten des MfS und der Linie IX voraus. Die Abteilungen IX prüften, ob strafrechtlich relevante Tatbestände vorlagen. Auch gab es Fälle, in denen aus Gründen der politischen Opportunität von einer Verhaftung abgesehen wurde, z.B. weil die Zielpersonen über gute Westkontakte verfügten und die Festnahme großes Aufsehen erregt hätte. Das Ziel der Untersuchungsführer war es, bereits bei der ersten Vernehmung ein Geständnis zu erreichen. Beleites machte darauf aufmerksam, dass Anwälte bei Vernehmungen grundsätzlich nicht zugegen gewesen seien, auch nicht in Ausnahmefällen. Die materiellen Haftbedingungen seien oft besser als in den Untersuchungshaftanstalten der Volkspolizei gewesen. Für die Inhaftierten dominierte die Empfindung, grundlos und daher zu Unrecht inhaftiert zu sein. Verschärfend für die Hafterfahrung wirkte sich das „Bildungsgefälle an der Zellentür“ aus: Die für die UHA zuständige Hauptabteilung XIV habe personell als „Absetzbecken“ gedient. Einerseits sollte dort getestet werden, welcher Mitarbeiter für höhere Aufgaben geeignet war, andererseits diente der Dienst in der Linie XIV dazu, gering qualifizierte Mitarbeiter mit einer Aufgabe zu betrauen, für die die Mitarbeiter bis 1989 keine Spezialausbildung erhielten. Zudem müsse man bedenken, dass der heutige Kenntnisstand über die internen MfS-Normen für die Untersuchungshaft weitaus besser als der der damaligen einfachen Mitarbeiter sei, die keinen regelmäßigen Zugang zu den als Verschlusssachen eingestuften Materialien hatten. Zusammenfassend stellte Beleites fest, dass sich das Untersuchungsverfahren des MfS in Abgrenzung zum „normalen“ Strafrecht mit der Theorie des „Feindstrafrechts“ (Günther Jacobs) konzeptionell erfassen lasse. Die MfS-Untersuchungshaft sei ein von rechtsstaatlichen Bindungen unabhängiges Instrumentarium gegen (vermeintliche) Feinde der Gesellschaft gewesen. Beleites wies darauf hin, dass die gegenwärtige Praxis z.B. im Falle des Internierungslagers auf Guantánamo „nicht weit weg“ von einer Anwendung des „Feindstrafrechts“ sei. SIEGFRIED REIPRICH (Stiftung Sächsische Gedenkstätten) ergänzte diese Einordnung um den Hinweis, dass eine Betrachtung der Stasi-Untersuchungshaft aus diesem erweiterten Blickwinkel nicht zuletzt auch deshalb wichtig sei, weil im täglichen Kontakt mit den Besuchern kein Mitarbeiter von Gedenkstätten „um diese Vergleichsdiskussion herum“ komme. In der anschließenden Diskussion zeigte sich, dass auf folgenden drei Themengebieten teils überraschend große Forschungslücken bestehen bzw. Quellen für die wissenschaftliche Arbeit genutzt werden können:

Verfolgungsorgane
Weitgehend unerforscht ist die Rolle der Deutschen Volkspolizei in politischen Verfahren. Wenn sie tatsächlich die Aufgaben einer „zweiten politischen Polizei“ (VOLKER HÖFFER, Rostock) wahrnahm, so stellt die Frage ein wichtiges Forschungsfeld dar, nach welchen Kriterien die Arbeitsteilung zwischen VP und MfS funktionierte und welche und wie viele Fälle die VP bearbeitete. ANDREA HERZ (Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen Thüringen, LStU, Erfurt) verdeutlichte die Dimension des Problems anhand von Inhaftierungszahlen im Raum Thüringen im Zusammenhang mit den Ereignissen des „Prager Frühlings“: Von den rund 200 Inhaftierten wurden 70 Prozent von der VP, hingegen nur 30 Prozent vom MfS verhaftet. ANDRÉ GURSKy (Gedenkstätte „Roter Ochse“, Halle) merkte ergänzend an, dass außerdem die Anleitungs- und Überwachungsfunktion der für das MdI zuständigen HA VII des MfS untersucht werden müsse. Unterschiedliche Einschätzungen der Teilnehmer bestanden hinsichtlich des Verhältnisses des MfS zu den Staatsanwälten und Haftrichtern. Misstraute das MfS den Justizfunktionären und sah in ihnen „keine Genossen erster Kategorie“ (Beleites)? Oder handelte es sich doch um „Partner auf Augenhöhe“ (JENS GIESEKE, ZZF), zumal fast alle Staatsanwälte SED-Mitglieder waren? TOBIAS HOLLITZER (Bürgerkomitee Leipzig e.V.) stellte für die Rolle der Verfolgungsorgane abschließend fest, dass in den zurückliegenden Jahren keinesfalls „zu viel über die Stasi“, sondern eher „zu wenig über die SED“ geforscht worden sei.

Haftbedingungen
Die Diskussionsbeiträge von VOLKER HÖFFER (BStU, Rostock), GABRIELE SCHNELL (Gedenkstätte Lindenstraße 54/55, Potsdam), ULRICH HUEMER (ZZF, Potsdam), ULJANA SIEBER (Gedenkstätte Bautzener Straße, Dresden) und ANDRÉ GURSKY (Gedenkstätte „Roter Ochse“, Halle) zeigten die Heterogenität der Haftbedingungen je nach UHA, Deliktvorwurf und dem konkreten historischen Zeitraum der Untersuchungshaft auf. Ein ehemaliger Häftling habe diesen Sachverhalt in einem Zeitzeugengespräch mit dem Vergleich bedacht, dass die UHA in Berlin-Hohenschönhausen „3 Sterne“, das Potsdamer „Lindenhotel“ hingegen über „keinen Stern“ verfügt habe. Ferner ergab der Vergleich der UHAs Unterschiede hinsichtlich der Anwendung physischer Gewalt als Mittel zur Geständniserpressung. Konsens bestand nur in der Frage, dass ab Mitte der siebziger Jahre weniger Fälle körperlicher Gewalt zu beobachten waren. SIEGMAR FAUST (Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.) erinnerte daran, dass die Isolationshaft vor allem zu Beginn der Untersuchungshaft angewendet wurde und diese „ersten Tage“ stets die – durchaus im negativen Sinne – prägende Phase der gesamten Haftzeit darstellte. Johannes Beleites zog daraus den Schluss, dass es „unsinnig“ sei, die Gewährung einer Opferrente an eine Mindesthaftdauer von einem halben Jahr zu knüpfen. Schließlich zeigte die Diskussion zum Bereich Haftbedingungen, dass die medizinische Betreuung in den UHAs sowie den Haftkrankenhäusern ein weitgehend unerforschtes Feld darstellt – was aufgrund der vom Gesetzgeber besonders geschützten medizinischen Daten das Problem des Quellenzugangs aufwirft.

Quellen
CORNELIA LIEBOLD (Gedenkstätte Bautzen) machte am Beispiel der Strafanstalt des Ministerium des Innern (MdI) der früheren StVE Bautzen I („Gelbes Elend“) darauf aufmerksam, dass es äußerst schwierig sei, an Material zu kommen, wenn Haftanstalten dem MdI unterstanden und sie daher formal keinen direkten MfS-Bezug aufwiesen. PETRA RAUSCHENBACH (Bundesarchiv, Abt. DDR, Berlin) wies in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit der Nutzung der digitalisierten zentralen Haftkartei des MdI und der Gefangenenpersonalakten aus der Provenienz des Gesamt- bzw. Innerdeutschen Ministeriums hin. Seitens des Bundesarchivs seien Rückmeldungen über geplante Forschungsprojekte willkommen. LEONORE ANSORG erinnerte an die Akten der „Zentralen Erfassungsstelle Salzgitter“, die für Untersuchungen zu den Haftbedingungen eine wertvolle Quelle darstellen.

II. Gedenken

a) (Therapeutische) Beratung und Rehabilitierung
HOLGER RICHTER (St.-Marien-Krankenhaus, Dresden) skizzierte in seinem Vortrag die „Operative Psychologie“ des MfS, für die 1965 der gleichnamige Lehrstuhl an der Juristischen Hochschule Potsdam eingerichtet wurde. Eine Untersuchung des MfS-Schulungsmaterials lasse den Schluss zu, dass die theoretische Ausbildung kaum in die Praxis einfloss. Insgesamt verfestige sich der Eindruck, dass es sich bei der „Operativen Psychologie“ um eine Spezialwissenschaft handelte, die lediglich zur wissenschaftlichen Legitimation und „Bemäntelung“ der Praxis diente.

STEFAN TROBISCH-LÜTGE (Beratungsstelle Gegenwind, Berlin) berichtete aus der Beratungstätigkeit des Vereins seit seiner Gründung 1993/94. Seit Mitte der 1990er-Jahre seien ca. 9000 Kontakte zu Traumatisierten zustande gekommen. Das Spektrum der Besucher reiche von ehemaligen politischen Häftlingen über die Opfer von „Zersetzungsmaßnahmen“ bis hin zu Familienangehörigen von Traumatisierten. Die PTSD („Posttraumatische Belastungsstörung“) stelle das häufigste Krankheitsbild dar, das mit Symptomen wie gestörter Emotionalität, Angst, Reizbarkeit, hohem Misstrauen und in einigen Fällen auch Rachegefühlen einhergehe. Das Angebot des Vereins liege in der Diagnose und praktischen Verarbeitungsangeboten, wobei ein Gedenkstättenbesuch ein Teil der Therapie sein könne.

SIEGMAR FAUST (Menschenrechtszentrum Cottbus) unterstützte diesen Ansatz nachdrücklich. Ein gemeinsamer Besuch mit Haftkameraden könne einen wichtigen Beitrag zur „Ent-Dämonisierung“ des Haftortes leisten. Generell, so Trobisch-Lütge, seien die Verarbeitungsmöglichkeiten jenseits klassischer Therapien nicht selten besser als bei psychologischer Behandlung. HANS-HERMANN HERTLE (ZZF) stellte die Frage, wie Gedenkstättenmitarbeiter erkennen können, ob sie mit ihrer Zeitzeugenarbeit die Traumatisierung der Betroffenen ungewollt verlängern oder tatsächlich Hilfe anbieten können. Trobisch-Lütge beantwortete die Frage dahingehend, dass schon die Gesprächsbereitschaft der Betroffenen ein positives Signal darstelle. Abschließend erklärte er seine Bereitschaft zu einer Schulungs- und/oder Supervisionsveranstaltung für Mitarbeiter von Gedenkstätten.

CLAUS PETER LADNER (Präsident des Verwaltungsgerichts Potsdam a.D.) gab in seinen Ausführungen einen Überblick über die strafrechtliche, berufliche und verwaltungsrechtliche Opferrehabilitierung seit 1990. Die strafrechtliche Rehabilitierung sei mit der Bearbeitung von rund 3000 Verfahren allein beim Bezirks- bzw. Landgericht Potsdam weitgehend erfolgreich abgeschlossen, im Land Brandenburg sei bis zum 1. Quartal 2006 insgesamt 17.457 Anträgen auf strafrechtliche Rehabilitierung voll oder teilweise stattgegeben worden. Der Zweck der Rehabilitierung habe vor allem in der „politisch-moralischen Genugtuung“ bestanden, die materielle Entschädigung sei häufig dahinter zurückgeblieben.

Zur beruflichen und verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung merkte HILDIGUND NEUBERT (LStU Thüringen, Erfurt) an, dass es bedauerlicherweise keine bundeseinheitliche Definition für das Mindestmaß an erlittenem Schaden gibt, ab der die Gesetze zur beruflichen und verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung greifen. Ladner bestätigte, dass Unterschiede zwischen den Bundesländern hinsichtlich der Anerkennungsquoten bei den Verwaltungsverfahren existieren. Er kritisierte überdies, dass es der Gesetzgeber versäumt habe, eine rein moralische Rehabilitierung vorzusehen. Dies hätte beispielsweise durch eine ausdrückliche verbale Feststellung rechtsstaatswidrigen Verhaltens (z.B. durch eine Formel der Art „Ihnen wurde Unrecht angetan“) seitens der Rehabilitierungsbehörde erfolgen können. Aufgrund der zahlreichen Querverweise seien die einschlägigen Gesetzestexte generell nur schwer zu verstehen. KLAUS-DIETER MÜLLER (Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Dresden) machte auf das russische Rehabilitierungsgesetz aufmerksam: Dort sei das hauptsächliche Ziel von Beginn an die moralische Rehabilitierung gewesen, Chancen für materielle Entschädigung hätten von vornherein nur in geringem Umfang bestanden. Andrea Herz erinnerte in diesem Zusammenhang an die von Häftlingen geleistete Zwangsarbeit, was die Berechtigung der Forderung nach einer materiellen Rehabilitierung untermauere.

Für die Aufarbeitung im Land Brandenburg konstatierte ULRIKE POPPE (Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur Branden-burg, LAkD, Potsdam) einen „enormen Nachholbedarf“. Die Vergangenheitsdebatte sei nötig, um die politische Kultur des Landes zu erhalten und zu entwickeln, vor allem hinsichtlich des Stellenwertes der Menschenrechte. Ziel ihrer Tätigkeit sei es, erstens auf die Etablierung eines „antitotalitären Konsenses“ in der Gesellschaft hinzuwirken, der die Erinnerung an die SED-Diktatur mit einschließt. Ihrer Behörde obliege zweitens die Aufgabe, Diktaturopfer zu beraten. Poppe würdigte die Arbeit der Verbände in freier Trägerschaft (z.B. AWO, Caritas, Diakonie) und die Aktivitäten privater Initiativen „von Verfolgten für Verfolgte“. Eine Einrichtung wie der Berliner Verein „Gegenwind“ wäre in Brandenburg „dringend nötig“. Drittens wies Poppe auf die Asymmetrie zwischen Opfern einerseits, Angepassten und Tätern andererseits hin. Das gesellschaftliche Klima müsse sich zugunsten einer Integration der Opfer verändern und ihre Isolation beenden. Dies stelle zugleich eine Herausforderung für die Mehrheitsgesellschaft dar, die häufig mit Misstrauen und Desinteresse auf die Bedürfnisse und Nöte der Opfer reagiere. Die Assoziationskette „Opfer = Verlierer = Versager“ müsse durch ein neues Opferbild ersetzt werden, das die Unbeugsamkeit der Betroffenen und ihre Vorbildwirkung betont. Andrea Herz informierte in diesem Zusammenhang über die Bemühungen der Thüringischen Landesbeauftragten, den Begriff „Opfer“ durch die Bezeichnung „Verfolgte der Diktatur“ zu ersetzen und diese Wortwahl im Sprachgebrauch zu etablieren. VOLKER HÖFFNER (BStU, Rostock) merkte an, dass der Grundfehler der politischen Eliten nach 1990 gewesen sei, die Täter/Mitläufer zu integrieren um den Preis der Desintegration der Verfolgten.

b) Arbeit der Gedenkstätten und Zeitzeugenarbeit
GABRIELE SCHNELL (Gedenkstätte Lindenstraße 54/55, Potsdam) gab in ihrem Vortrag einen Überblick über die Haftbedingungen (unter anederem Ernährung, Hygiene, medizinische Versorgung, Tagesablauf, etc.) im Potsdamer Stasi-Gefängnis. Die Grundprinzipien der MfS-Untersuchungshaft (Isolation, Desinformation, Überwachung) dienten neben der Geständniserpressung dem Zweck, Inhaftierte zu brechen und andere abzuschrecken. Die Baugeschichte der UHA Potsdam spiegele dabei den Wandel der Haftbedingungen wider. So ließen sich beispielsweise anhand der Angaben ehemaliger Insassen über den Zeitpunkt des Einbaus von sanitären Anlagen Aussagen über die hygienische Situation treffen. Da die Akten der HA IX und XIV der Bezirksverwaltung des MfS Potsdam vernichtet wurden, erhielten Zeitzeugeninterviews ein besonderes Gewicht bei der Erforschung der Haftbedingungen in Potsdam. Die persönliche Bekanntschaft und ein Vertrauensverhältnis seien Voraussetzung für das Gelingen der Zeitzeugenarbeit.

André Gursky berichtete unter der Überschrift „Datenschutz = Täterschutz für hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter?“ über eine Ausstellung zu hauptamtlichen Mitarbeitern des MfS im „Roten Ochsen“ in Halle. Exemplarisch werden dort die Biographien von 50 Untersuchungsführern dargestellt. Der Aktenzugang habe sich schwierig gestaltet, da Antragsteller die Namen der Hauptamtlichen ermitteln mussten. Diese wurden nicht von der BStU zur Verfügung gestellt, was jedoch an fehlenden Strukturdokumenten liegen dürfte, wie ein anwesender BStU-Mitarbeiter anmerkte. Ehemalige Hauptamtliche, so Gursky, hätten zwar Klagen gegen die Ausstellung angekündigt, tatsächlich jedoch dann den Datenschutzbeauftragten angerufen, der die Einwände schließlich zurückwies. Johannes Beleites plädierte nachdrücklich dafür, bei bundes- oder landesfinanzierten Projekten eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen.

Gabriele Schnell ermutigte zu einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit. So habe die Potsdamer Gedenkstätte gute Erfahrungen mit einer kontinuierlichen Veranstaltungsreihe gemacht. Herbert Wagner (Trägerverein der Gedenkstätte „Bautzener Straße Dresden“) wies darauf hin, dass die Gedenkstättenarbeit einen wichtigen Auftrag der politischen Bildung erfülle, denn letztlich gehe es um „Extremismusprävention“.

In der Schlussrunde fasste Hans-Hermann-Hertle die wesentlichen Diskussionsschwerpunkte der Konferenz zusammen. Da alle Teilnehmer ihr Interesse an einer Verstetigung der Kooperation bekundeten, ist ein weiterer Workshop geplant, der voraussichtlich in der Gedenkstätte „Roter Ochse“ in Halle stattfinden wird.

Konferenzübersicht:

Begrüßung: Hans‐Hermann Hertle (ZZF Potsdam)

Grußwort: Hannes Wittenberg (Potsdam Museum)

Johannes Beleites (Evangelische Akademie Thüringen, Neudietendorf): „Stasi-Untersuchungshaftanstalten in der DDR – Erkenntnisse und offene Forschungsfragen“

Diskussion und Erfahrungsaustausch
Moderation: Hans‐Hermann Hertle (ZZF Potsdam)

Holger Richter (St. Marienkrankenhaus Dresden): „Die ‚operative Psychologie‘ der DDR‐Staatssicherheit – Grundlagen und Kontext“

André Gursky (Gedenkstätte „Roter Ochse“, Halle): „Datenschutz = Täterschutz für hauptamtliche Stasi‐Mitarbeiter?“

Moderation: Jutta Braun (Universität Potsdam)

Gabriele Schnell (Gedenkstätte Lindenstraße 54/55, Potsdam): „Haftbedingungen im Potsdamer Stasi‐Gefängnis“

Stefan Trobisch‐Lütge (Beratungsstelle Gegenwind, Berlin): „Haftfolgeschäden und psychosoziale Angebote“

Moderation: Farina Münch (Universität Potsdam)

Claus Peter Ladner (Präsident a.D. des Verwaltungsgerichts Potsdam, Schwielowsee): „Strafrechtliche, berufliche und verwaltungsrechtliche Opferrehabilitierung“

Ulrike Poppe (Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur): „Bestandsaufnahme und Perspektiven der Opferberatung“

Diskussion und offene Debatte: Perspektiven von Forschung und Gedenken in den ehemaligen Stasi‐Untersuchungshaftanstalten
Moderation: Thomas Schaarschmidt (ZZF Potsdam)

Schlusswort: Hans Joachim Teichler (Universität Potsdam)


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